Liebe Bischöfe!
Unsere Glaubensgemeinschaft und Sie als Leitende stehen vor großen Herausforderungen. Die Gläubigen in Deutschland brechen Ihnen weg. Die wissenschaftliche Theologie rüttelt an den Fundamenten des Glaubens der Kirche und die Welt verändert sich im Kommunikationszeitalter rasant und stellt die Kirche vor immer neue Aufgaben.
Reformbemühungen kommen immer wieder ins Stocken, weil Sie sich an den Ihnen überlieferten und offenbarten Glaubenswahrheiten orientieren und dieses Glaubensgut nicht aufgeben können. Manche werfen Ihnen Machtstreben vor, das tue ich nicht. Ich nehme Sie bei Ihrem Wort und Gelöbnis, dass Sie es ehrlich meinen mit den Glaubenswahrheiten, die Sie verkünden.
Wir müssen grundsätzlich fragen, wie wir zu Erkenntnissen kommen – vor allem zu Erkenntnissen über unser geoffenbartes Glaubensgut.
Wenn wir aber zu einer für alle tragbaren Lösung kommen wollen, müssen wir tief genug graben, noch tiefer als Glaube, Tradition und Schrift. Wir müssen fragen, wie wir generell zu Erkenntnissen kommen. Wie funktioniert das Erkennen bei uns Menschen? Hier kann der Konstruktivismus Klarheit schaffen.
Der Frage, wie wir etwas erkennen, sind bereits die alten Philosophen nachgegangen und sind zu erstaunlichen Erkenntnissen gekommen, genau wie die heutige Neurowissenschaft. Und die Frage nach der Erkenntnis spitzt sich bei Sokrates zu, wenn er sagt: Ich weiß, dass ich nicht weiß. Der Konstruktivismus geht genau dieser Frage nach, wie wir etwas erkennen, und es dann für wahr halten.
Ich möchte hier keine wissenschaftliche Abhandlung über den Konstruktivismus abliefern, sondern an ganz einfachen Beispielen zeigen, wie unser konstruktivistisches Erkennen funktioniert und wie es unser Denken und Handeln beeinflusst. Aber wenn Sie meinem Gedankengang folgen und darin keinen gravierenden Fehler erkennen, haben Sie anschließend die Möglichkeit, das von Ihnen verteidigte Glaubensgut und die Tradition zu durchforsten und die menschlichen Konstrukte von der göttlichen Wahrheit zu unterscheiden. Danach haben Sie die Pflicht, alle menschlichen Konstrukte, die die kirchliche Entwicklung behindern, zu benennen und als nicht mehr relevant für den Kern unseres Glaubens zu bezeichnen. Danach können Sie in aller Freiheit, die uns in Christus gegeben ist, daran gehen, neu zu denken und alle notwendigen Reformen bezüglich unseres Glaubensgutes einzuleiten. Geben Sie sich die Erlaubnis neu zu denken – Metanoia! Lassen sie sich nicht entmutigen, frei über den Glauben zu denken und sich entsprechend zu äußern. Vergewissern Sie sich ehrlich, was zum Glaubenskern gehört und was nicht.
Ich hoffe, dass Sie durch diese sicher nicht perfekte Schrift ermutigt werden, für sich eine noch größere Freiheit zu finden, um die Kirche und damit das Reich Gottes stark zu machen, damit diese für die kommenden vielen tausend Jahre ihren Dienst an der Menschheit als erwachsene und erwachte Kirche wahrnehmen kann.
Ihr Karl-Heinz Simsheuser
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